Rainer Maria Rilke:
aus dem Zyklus
Neue Gedichte (1907-1908)
Leda
Als ihn der Gott in seiner Not betrat,
erschrak er fast, den Schwan so schön zu finden;
er ließ sich ganz verwirrt in ihn verschwinden.
Schon aber trug ihn sein Betrug zur Tat,
bevor er noch des unerprobten Seins
Gefühle prüfte. Und die Aufgetane
erkannte schon den Kommenden im Schwane
und wusste schon: er bat um Eins,
das sie, verwirrt in ihrem Widerstand,
nicht mehr verbergen konnte. Er kam nieder
und halsend durch die immer schwächre Hand
ließ sich der Gott in die Geliebte los.
Dann erst empfand er glücklich sein Gefieder
und wurde wirklich Schwan in ihrem Schoß.
Leda
When driven by his need the god trod near
the threshold of the noble swan, its grace
perplexed him. Rash he vanished in its space,
already plotting an imposture dear.
Oblivious of the feelings of his feathered host,
adventurous Zeus pressed on, while Leda sensed
the restless god beneath the plumed disguise
and fretted what she knew he wanted most.
Resist she would, at first, but could she ever
hide her own confused desire? Alighting
next to her, he wove his neck through ever
weaker hands and conquered her anon.
He revelled in his plumage white, delighting
in her womb, where truly he became a swan.
(c) translation, Alfred de Zayas |