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Genf, den 9. August 2004
An die Redaktion
Nordbayerischer Kurier
Sehr geehrte Herr Gordian Beck !
Gesamtkunstwerk ist offensichtlich ein Wort, dass Ihnen
nicht so sehr liegt. In New York wie in Genf genießen
wir werkgerechte Inszenierungen, die Wagners Aussage verdeutlichen.
Seit 1967 komme ich regelmäßig nach Bayreuth,
damals noch ein grüner amerikanischer Teenager, der
von Wagners Anspruch, ein Gesamtkunstwerk zu bieten, begeistert
war. In der Tat habe ich viele gelungene Inszenierungen
in Bayreuth erlebt. Nun tut es mir leid für junge
Menschen, die die Wagnersche Aussage und das Gesamtkunstwerk
nicht mehr in Bayreuth erleben können, weil sich die
Regisseure anmaßen, dem Publikum ganz andere Inhalte
zu suggerieren, als ob Wagner nicht genug Inhalt in seine
Werke getan hätte.
Freilich kann man "erfrischend muntere" Ideen in Wagners Werk hineinbringen, und "fordernde Regiekonzepte" haben. Diese aber sollten das Gesamtkunstwerk erst ermöglichen und nicht ständig stören. Man reist nicht nach Bayreuth, um Claus Guth oder Christoph Schlingensief zu bewundern, sondern um Wagner zu hören. Leider muss man die Augen zu oft zumachen, wenn der "Spektakel" auf der Bühne nichts mehr mit der Musik bzw. mit dem Libretto zu tun hat.
Die Ovationen nach dem Tannhäuser vom 4. August haben deutlich genug bewiesen, was das Bayreuther Publikum bevorzugt -- nämlich großartige Musik, großartige Solisten, und eine verhältnismäßig werkgetreue Inszenierung. Ich freue mich auf mehr Bayreuth-Inszenierungen von Philippe Arlaud, der demnächst Monteverdis Orfeo hier in Genf inszenierten wird.
Regisseure haben viel Spielraum, aber sie sollten dabei weniger Ego und
mehr Demut einem Meisterwerk gegenüber zeigen. Eigentlich sollte die junge Generation der Musik- und Kunstliebhaber ein Anrecht haben, das Wagnersche Gesamtkunstwerk mindestens einmal im Leben zu sehen! |