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Stuttgart, 10. Dezember 2007

DANKESREDE ANLÄSSLICH DER VERLEIHUNG DES MENSCHENRECHTSPREISES DER VOLKSGRUPPE DER DONAUSCHWABEN

VERTREIBUNG UND VÖLKERRECHT

Von Alfred de Zayas

Lieber Herr Profressor Oppermann,
Lieber Herr Morgenthaler,
Verehrte Frau Gutekunst,
Meine sehr verehrten Damen, meine Herren.

Vor Zehn Jahren hat mich der Bund der Vertriebenen die Plakette für Verdienste um das Selbstbestimmungsrecht der Völker in Berlin verliehen. Heute ehren Sie mich hier in Stuttgart, wo vor 57 Jahren die Charta der deutschen Heimatvertriebenen verkündet wurde.

Eigentlich wäre es gerechter, wenn ich Sie ehren und Ihnen danken würde, denn Sie sind es, die grosse Anerkennung verdienen – für Ihre beispiellose Aufbauarbeit und für ihre friedliche Integration in Deutschland und in Europa. Sie haben einen höheren Anspruch auf einen Menschenrechtspreis.

Sie, donauschwäbische Vertriebene, haben die erste und ärgste ethnische Säuberung im ehemaligen Jugoslawien erlebt und erlitten. Sie haben Ihr Leiden mit Würde getragen. Sie wurden damals Opfer rassistischer Dekreten und grotesker Massaker. Wo bleibt der Dank und die Anerkennung? Als amerikanischer Beobachter der deutschen Szene, stelle ich erstaunt und traurig fest, dass Sie heute von manchen Presseorganen nicht nur nicht geehrt werden, sondern in der Kategorie der sog. „Täter“ eingereiht und diffamiert werden. Ihnen möchte ich heute, am internationalen Menschenrechtstag, einen bescheidenen Dank und Anerkennung zum Ausdruck bringen.

Heute vor 59 Jahren wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verkündet.

Artikel 1 der Erklärung lautet:
„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechte geboren.“

Auf der Basis dieses Gleichheitsprinzips muss man die Ansprüche der Vertriebenen formulieren. Denn Vertreibung ist Völkermord. Aber nicht nur Völkermord. Sie ist auch Verbrechen gegen die Menschheit, Rassismus, Terror.

Artikel 2 der Erklärung besagt:

„Jeder Mensch hat Anspruch auf in dieser Erklärung verkündigten Rechte und Freiheiten ohne irgendeine Unterscheidung, wie etwa nach Rasse…“

Dies bedeutet, dass auch Sie, donauschwäbische Vertriebene, einen Anspruch auf Gerechtigkeit haben. Unter keinen Umständen sollen Sie resignieren und auf Ihren Anspruch verzichten, denn Verzicht bedeutet Hinnahme der Diskriminierung und schwächt dadurch die Rechtsordnung und die Rechtssicherheit. Wenn die ethnischen Säuberungen der 90er Jahren in Jugoslawien international als völkerrechtwidrig verurteilt wurden, wenn sie zu Bestrafung und Restitution führten, so müssen die Vertreibungen und Verschleppungen der 40er Jahre zumindest zu Anerkennung der Opfer und zu Wiedergutmachung führen.

In den Vereinten Nationen wird seit zehn Jahren ein Recht anerkannt, dass zwar stets existiert hat, aber bisher kaum formuliert worden war – ich spreche vom Recht auf Wahrheit. The Right to Truth. Sie haben einen Anspruch auf die Wahrheit über Gakowa, Rudolfsgnad, Filipowa – alle verbrechen gegen die Menschheit – und wenn man der Jurisprudenz des Internationalen Strafrechtstribunals für das ehemalige Jugoslawien folgt, und das letzte Urteil des Internationalen Gerichtshofes im Fall Bosnien v. Serbien aufmerksam liest, dann ist es zwingend, dass auch Gakowa, Rudolfsgnad, Filipowa und die vielen Massakern an die Donauschwaben – analog an das bosnische Massaker in Srebenica, ebenfalls Völkermord darstellen.

Meine Damen und Herren, Sie sollen auf Ihr Recht auf Wahrheit beharren, weil die Menschenrechte – und das Völkerrecht überhaupt – mit dem Prinzip der Gleichheit stehen oder fallen. Sie sollen auf Ihre Recht auf Restitution nicht verzichten, denn die Nicht Umsetzung des Völkerrechts in einem Fall das ganze Ordnungssystem in Fratge stellt. Sie sollen auf Gerechtigkeit bestehen, um gegen die Verlogenheit der sog. „normativen Kraft des Faktischen“ zu wirken, um das zynische Prinzip „Macht ist Recht“ zu verwerfen. Beharren Sie auf Ihr Recht, nicht des Geldes wegen, sondern der Gerechtigkeit wegen, um das Gleichheitsprinzip und die Rechtsordnung nicht zu korrumpieren.

Artikel 6 der Allgemeinen Erklärung besagt: „Jeder Mensch hat überall Anspruch auf Anerkennung als Rechtsperson“. Gemäss der Politik Titos waren die Jugoslawiendeutsche Freiwild. Ihnen wurde alle Rechte und Würde genommen – nicht nur das Eigentum gemäss der AVNOJ Beschlüssen, die genauso verbrecherisch als die berüchtigten Benesch und Bierut Dekrete waren.

Meine Damen und Herren, über Vertreibung und Völkerrecht habe ich bereits einiges geschrieben – so z.B. in englischer Sprache den Beitrag in der „Encyclopedia of Public International Law“, in deutscher Sprache das einschlägige Kapitel im Katalog der Ausstellung „Flucht, Vertreibung, Integration“, des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Darüber hinaus jüngst beim Institut für Zeitgeschichte im Band über „Die Potsdamer Konferenz: 60 Jahre Danach“. Vor einem Jahr habe ich eine Broschüre mit „Thesen zur Vertreibung“ veröffentlicht, 10 Historische Thesen, 14 Völkerrechtliche Thesen und 10 Schlussfolgerungen. Erlauben Sie mir, aus den völkerrechtlichen Thesen zu zitieren:

1. Heimatrecht ist Menschenrecht.

2. Das Selbstbestimmungsrecht der Völker, das als jus cogens anerkannt wird, beinhaltet notwendigerweise das Recht auf die Heimat, denn man kann nur das Selbstbestimmungsrecht ausüben, wenn man aus der Heimat nicht vertrieben wird.

3. Die Vertreibung der Deutschen war nach dem 1945 geltenden Völkerrecht und ist nach den UN-Normen völkerrechtswidrig.

4. Die Haager Landkriegsordnung von 1907 war im Zweiten Weltkrieg anwendbar. Artikel 42–56 beschränken die Befugnisse von Okkupanten in besetzten Gebieten und gewähren der Bevölkerung Schutz, insbesondere der Ehre und der Rechte der Familie, des Lebens der Bürger und des Privateigentums (Artikel 46), und verbieten Kollektivstrafen (Artikel 50). Eine Massenvertreibung ist mit der Haager Landkriegsordnung in keiner Weise in Einklang zu bringen. Auch gemäß der „Martenschen Klausel“ in der Präambel der IV. Haager Konvention von 1907 sind Vertreibungen rechtswidrig.

5. Vertreibungen waren im Jahre 1945 völkerrechtswidrig, auch in Friedenszeiten, denn sie verletzen Völkergewohnheitsrecht sowie auch die Minderheitenschutzverträge, die Polen, die Tschechoslowakei, Ungarn und Jugoslawien verpflichteten.

6. Die Rechtsprechung des Internationalen Militär-Tribunals in Nürnberg verurteilte die Vertreibungen, die von den Nationalsozialisten durchgeführt worden waren, als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit. Das Völkerrecht hat per definitionem universale Geltung, und darum stellten die Vertreibungsmassnahmen gegen die Deutschen, gemessen an denselben Prinzipien, ebenfalls Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit dar.

7. Artikel XIII des Potsdamer Protokolls konnte nicht und hat auch keine Legalisierung der Vertreibung der Deutschen bewirkt. Die Alliierten hatten keine unbeschränkte Verfügungsgewalt über das Leben der Ostdeutschen. Auch wenn es ein „Interalliiertes Transferabkommen“ gegeben hätte (und Artikel XIII stellt kein solches Abkommen dar), müßte es nach völkerrechtlichen Prinzipien beurteilt werden.

8. Nach dem Stand des heutigen Völkerrechts sind Zwangsumsiedlungen völkerrechtswidrig. Artikel 49 der IV. Genfer Konvention über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten vom 12. August 1949 verbietet Zwangsumsiedlungen. Artikel 17 des Zweiten Zusatzprotokolls von 1977 zu den Genfer Konventionen von 1949 verbietet ausdrücklich Vertreibungen auch in innerstaatlichen Konflikten.

9. In Friedenszeiten verstoßen Vertreibungen gegen die UNO-Charta, gegen die Menschenrechtserklärung vom 10. Dezember 1948, gegen die Menschenrechtspakte von 1966 und gegen die Internationale Konvention zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung. Für die Unterzeichner des Vierten Protokolls der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten gelten Artikel 3: „Niemand darf aus dem Hoheitsgebiet des Staates, dessen Staatsangehöriger er ist, durch eine Einzel- oder eine Kollektivmaßnahme ausgewiesen werden …“; und Artikel 4: „Kollektivausweisungen von Fremden sind nicht zulässig.“

10. In Kriegs- sowie Friedenszeiten stellen Vertreibung und Verschleppung völkerrechtliche Verbrechen dar. Gemäß Artikel 8 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs gelten Vertreibungen als Kriegsverbrechen, gemäß Art. 7 als Verbrechen gegen die Menschheit.

11. Vertreibung und Verschleppung können sehr wohl als Völkermord bezeichnet werden, wenn die Absicht des Vertreiberstaates nachweislich ist, eine Volksgruppe auch nur teilweise zu vernichten. Dies war zweifelsohne die Absicht Titos als auch die Absicht Beneschs, wie in ihren Reden und Dekreten ausreichend belegt. Dies ist auch die Auffassung führender Völkerrechtslehrer u. a. Felix Ermacora und Dieter Blumenwitz. Somit erfüllte die Vertreibung der Sudetendeutschen und der Jugoslawiendeutsche den Tatbestand des Völkermordes im Sinne der UNO-Völkermordskonvention von 1948. Auch Teilaspekte der Vertreibung der Deutschen aus Polen und Jugoslawien sind nachweislich Genozid.

12. Wenn eine Enteignung Privateigentums im Zusammenhang mit einem Verbrechen gegen die Menschheit bzw. Bestandteil eines Genozids ist, darf die Staatengemeinschaft diese Enteignung nicht anerkennen. Der Staat der Nationalität der Opfer dieser Enteignungen ist zum diplomatischen Schutz seiner Bürger verpflichtet, denn die Ausübung des diplomatischen Schutzes ist in diesen Fällen keine Ermessensfrage.

13. Das Völkerrecht gilt gleichermassen für alle. Darum sind die Staaten erga omnes verpflichtet, die Normen des Völkerrechts konsequent anzuwenden, ohne willkürliche Ausnahmen. Ein Staat gefährdet die Rechtssicherheit und stellt die Glaubwürdigkeit der völkerrechtlichen Rechtsordnung in Frage, wenn er nach unterschiedlichen Massstäben handelt. Völkermord und Verbrechen gegen die Menschheit sind gleich verwerflich in allen Situationen, unabhängig der Nationalität der Opfer.

14. Flüchtlinge und Vertriebene haben ein Recht auf Rückkehr sowie ein Recht auf Restitution (Siehe UNO-Unterkommission für Menschenrechte, Resolutionen 2002/30 und 2005/21 sowie der Schlußbericht der Unterkommission über Vertreibung und die Menschenrechte UN Doc E/CN. 4/Sub. 2/1997/23 und die Ausführungen des ersten UN-Hochkommissars für Menschenrechte Dr. José Ayala Lasso vom 28. Mai 1995 in Frankfurt a. M. und 6. August 2005 in Berlin).

Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir auf die Fragen Vertreibung und Völkermord zurück zu kommen. In ihrer Resolution 47/121 vom 18. Dezember 1992 hat die UNO Generalversammlung die ethnischen Säuberungen, die seinerzeit in Jugoslawien stattfanden, als Völkermord eingestuft. Diese Resolution wurde bestätigt und bekräftigt in unzähligen späteren Resolutionen 48/143 vom Dezember 1993, 49/205 vom Dezember 1994, 50/192 vom Dezember 1995, 51/115 vom März 1997, usw.

Der erste UNO-Hochkommissar für Menschenrechte Dr. Jose Ayala Lasso hat sich mit den ethnischen Säuberungen in Jugoslawien beschäftigt und eine Studie über die menschenrechtlichen Aspekte von Vertreibungen im Auftrag gegeben. Er hat sich nicht nur mit den Ereignissen in Jugoslawien beschäftigt, sondern auch mit anderen Vertreibungen in Europa und der Welt. Ayala Lasso hat sich der Ereignisse von 1945 gestellt und die deutschen Vertriebenen in ihrer Opfer Eigenschaft anerkannt. Er stellte am 28. Mai 1995 Mai anläßlich der Gedenkstunde „50 Jahre Vertreibung“ in der Paulskirche zu Frankfurt a.M. fest:

„Das Recht, aus der angestammten Heimat nicht vertrieben zu werden, ist ein fundamentales Menschenrecht …Ich bin der Auffassung, dass, hätten die Staaten seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges mehr über die Implikationen der Flucht, der Vertreibung und der Umsiedlung der Deutschen, nachgedacht, die heutigen demographischen Katastrophen, die vor allem als ethnische Säuberungen bezeichnet werden, vielleicht nicht in dem Ausmaß vorgekommen wären. In diesem Zusammenhang möchte ich noch auf die Charta der deutschen Heimatvertriebenen zu sprechen kommen. Es ist gut, dass Menschen, die Unrecht gelitten haben, bereit sind, den Teufelskreis von Rache und Vergeltung zu brechen und sich auf friedlichen Wegen für die Anerkennung des Rechtes auf die Heimat und für den Wiederaufbau und die Integration Europas zu arbeiten. Eines Tages wird dieses Opfer besser gewürdigt werden.”
Zehn Jahre später, am 6. August 2005, sprach sich Ayala Lasso in Berlin anläßlich der Gedenkstunde „60 Jahre Vertreibung“ wie folgt aus:

„Das Recht auf die eigene Heimat ist allerdings nicht nur ein kollektives, sondern auch ein individuelles Recht und eine Grundvoraussetzung für die Ausübung zahlreicher bürgerlicher, politischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte“

Die von Ayala Lasso begleitete Studie des UNO-Sonderberichterstatters Awn Shawkat Al-Khasawneh (heute Vizepräsident des Internationalen Gerichtshofes in den Haag) mundete in einem Schlussbericht vom Juli 1997, in welchem alle Vertreibungen verurteilt werden. Der Bericht zog Schlussfolgerungen und formulierte eine Erklärung über die Völkerrechtswidrigkeit von Vertreibungen.
Artikel 4 stellt fest:
1. Jeder Mensch hat das Recht, in Frieden, Sicherheit und Würde in seiner Wohnstätte, in seiner Heimat und in seinem Land zu verbleiben.
2. Niemand darf dazu gezwungen werden, seine Wohnstätte zu verlassen

Artikel 6 stellt fest:
Jegliche Praxis oder Politik, die das Ziel oder den Effekt hat, die demographische Zusammensetzung einer Region, in der eine nationale, ethnische, sprachliche oder andere Minderheit oder eine autochthone Bevölkerung ansässig ist, zu ändern, sei es durch Vertreibung, Umsiedlung und/oder durch die Sesshaftmachung von Siedlern oder eine Kombination davon, ist rechtswidrig.

Artikel 7 besagt
Bevölkerungstransfers oder -austausche können nicht durch internationale Vereinbarungen legalisiert werden –
Also, auch die Potsdamer Vereinbarungen könnten die Vertreibung der Deutschen nicht legalisieren, und sie haben auch keine Legalisierung erwirkt, obwohl polnische und tschechische Journalisten, Politiker und Historiker dies behaupten, und einige deutsche Medien es auch so gelten lassen wollen.

Artikel 8
Jeder Mensch hat das Recht, in freier Entscheidung und in Sicherheit und Würde in das Land seiner Herkunft sowie innerhalb dessen an den Ort seiner Herkunft oder freien Wahl zurückzukehren. Die Ausübung des Rückkehrrechts schließt das Recht der Opfer auf angemessene Wiedergutmachung nicht aus, einschließlich der Rückgabe von Gütern, die ihnen im Zusammenhang mit dem oder als Ergebnis des Bevölkerungstransfers entzogen wurden, Entschädigung für jegliches Eigentum, das ihnen nicht zurückgegeben werden kann und allfällige andere, völkerrechtlich vorgesehene Reparationen.

Diese Erklärung wurde von der UNO Menschenrechtskommission im Jahre 1998 angenommen und anschliessend vom Wirtschafts- und Sozialrat verkündet. Zwar hat die Generalversammlung diese Erklärung noch nicht verabschiedet – aber, meine Damen und Herren, haben Sie Geduld – denn die Generalversammlung nimmt sich immer ihre Zeit – so hat sie beinahe 20 Jahre gebraucht, um eine Erklärung über die Rechte der Autochthonen Völker zu verabschieden.
Nun komme ich auf meine Feststellung zurück, dass Vertreibung Völkermord ist. Welche Kriterien müssen nach der Konvention vom 9. Dezember 1948 erfüllt werden?

Die Völkermordkonvention spricht von der „Absicht“, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören – z.B.
1) durch Tötung von Mitgliedern der Gruppe
2) durch Verursachung von schweren körperlichen oder seelischen Schäden an Mitgliedern der Gruppe,
3) durch Auferlegung von Lebensbedingungen, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder nur Teilweise herbeizuführen.

Den Beweis dieser Tatbestände liefern abertausende Erlebnisberichte der Opfer – und zwar nicht nur in der Ost-Dokumente des Bundesarchivs, sondern auch in den einschlägigen Beständen in den britischen, amerikanischen und schweizerischen Archiven. Auch die Beobachtungen von amerikanischen Politikersn wie Robert Murphy, James Byrnes und General Eisenhower, sowie von britischen Persönlichkeiten wie Victor Gollancz, Bishop Bell of Chichester und Bertrand Russell belegen die Tötungen und die schweren körperlichen und seelischen Schäden, die die deutschen Vertriebenen erlitten haben.

Was die Absicht der Täter betrifft, belegen die Benes Dekrete Nr. 12, 33 und 108 diese Absicht, auch die Reden und Erklärungen von Benes, Ripka, Bierut, Tito und anderen Politikern in Polen, der Tschechoslowakei und Jugoslawien.

Der Internationale Strafrechtstribunal für das ehemalige Jugoslawien hat Aspekte der ethnischen Säuberungen im ehemaligen Jugoslawien als Völkermord eingestuft, und das Massaker von Srebenica als Teilaspekt des Genozids anerkannt. Nun war die Vertreibung der Deutschen vielfach schlimmer als die ethnischen Säuberungen im ehemaligen Jugoslawien. Und, wenn Srebenica Völkermord darstellt, so waren auch der Brünner Todesmarsch, das Massaker von Aussig, die Tötungen in den Lagerns von Lamsdorf, Swientochlowice, Theresienstadt, Gakowo, Rudolfgnad, Filipowa, usw. ebenfalls Völkermord.

Noch schlimmer und unmenschlicher als die Vertreibungen der Reichs- und Volksdeutscher waren die Verschleppungen zur Sklavenarbeit im Ural, Workuta, Sibirien. Etwa 1.8 Millionen deutsche Zivilpersonen wurden unter furchtbaren Bedingungen verschleppt, und nach angaben des Roten Kreuzes starben schätzungsweise 35% dieser unglücklichen „Reparationsverchleppte“.
Diese Verschleppungen verletzten in besonders eklatanter Weise die Bestimmungen der Haager Landkriegsorgnung und stellten im Sinne vom Artikel 6(b) und vom Artikel 6(c) des Nürnberger Statuts Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit dar. Allerdings wurde keiner wegen dieser Megaverbrechen vor einem Tribunal gebracht, geschweige denn bestraft.

Die „ethnischen Säuberungen“ im ehemaligen Jugoslawien werden heute vom Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag geahndet. Slobodan Milosevic stand vor dem Tribunal, des Kriegsverbrechens und des Verbrechens des Völkermords angeklagt. Auch General Mladic und Radovan Karadzic stehen unter Anklage des Völkermords.

Im Prozess Bosnien und Herzegowina v. Jugoslawien vor dem Internationalen Gerichtshof erging ein Urteil am 26. Februar 2007, wo das Verbrechen des Völkermordes – etwa in Srebenica – festgestellt wurde.

Meine Damen und Herren

Die andere Seite des völkerrechtlichen Vertreibungsverbotes ist eben das Recht auf die Heimat. Die Vereinten Nationen haben in etlichen Resolutionen die drei Hauptelemente des Rechtes auf die Heimat bekräftigt, 1) das Recht, in Sicherheit und Würde in der Heimat zu verbleiben, 2) das Recht von Flüchtlingen und Vertriebenen, in die Heimat zurückzukehren, und 3) das Recht auf Restitution.
Diese Rechte wurden in Resolutionen des Sicherheitsrates, der Generalversammlung und der UNO-Menschenrechtskommission bezüglich der 200,000 Zyprioten, die 1974 bei der Invasion Zyperns durch die Türkei vertrieben wurden, anerkannt und bestätigt. Dies taten ebenfalls die Europäische Menschenrechtskommission und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in mehreren Urteilen gegen die Türkei.
Bezüglich das Recht aus Entschädigung besteht im allgemeinenVölkerrecht die Norm, dass Privateigentum ohne Entschädigung nicht beschlagnahmt werden kann. Das Recht, Repressalien zu nehmen erstreckt sich nur auf Staatseigentum, nicht aber auf private Häuser, Frabriken, Bankanlagen usw.

Die Völkerrechtswidrigkeit von Konfiskationen Privateigentums wurde auch in mehreren Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte festgestellt, z.B. in den Urteilen von 1996 und 1998 im Fall Loizidou v. Türkei. Im übrigen wurden die Loizidou Urteile z.T. umgesetzt, und am 3. Dezember 2003 erhielt Frau Titina Loizidou mehr als eine Million Euro als Entschädigung für ihr in Nordzypern widerrechtlich beschlagnahmtes Eigentum. Ihr Recht auf Rückkehr in die Heimat bleibt jedoch unerfüllt.

Der UNO-Menschenrechtsausschuss, dessen Sekretär ich war, hat die Republik Tschechien in drei Fällen betreffend Sudetendeutschen verurteilt:

Des Fours Walderode gegen Tschechien
Petzoldova gegen Tschechien
und
Czernin gegen Tschechien

Jedoch hat die Tschechische Republik diese Urteile bis heute nicht in die Tat umgesetzt, was der Ausschuss im Juli 2007, anlässlich der Untersuchung des zweiten Staatenbericht von Tschechien schwer monierte.

Wie Sie sehen, sind das Völkerrecht und seine Umsetzung nicht identisch. So können das Rückkehrrecht und das Recht auf Restitution nicht immer verwirklicht werden. In der Tat warten viele Bosnier auf Rückkehr in ihre Dörfer, ebenfalls warten Millionen von Diaspora-Palästinensern auf Rückkehr in Palästina, auch Millionen von Diaspora-Armeniern.

Meine Damen und Herren,

Es gilt, mit den Normen des Völkerrechts an die Weltöffentlichkeit zu gehen und solidarisch die gleichen Rechte der deutschen Vertriebenen zu artikulieren und dafür Anerkennung, Rehabilitierung und Restitution zu verlangen.

Um das Informationsdefizit der Weltöffentlichkeit zu überwinden, müssen die Medien darüber berichten, die Universitäten weiterhin forschen, Wanderausstellungen für das allgemeine Publikum organisiert werden. Darum ist auch das Zentrum gegen Vertreibungen in Berlin so wichtig – sowie auch die Ausstellung „Erzwungene Wege“, die hoffentlich bald nach Stuttgart kommen wird.

Ihnen wünsche ich Kraft und Beharrlichkeit. Sie können davon überzeugt sein, dass das Völkerrecht und die Menschenrechte auf Ihre Seite stehen.

Aber das Völkerrecht ist eben keine Mathematik. Wenn es so wäre, so hätten Sie Restitution und Rückkehrrecht schon verwirklicht.

Trotzdem, wie Ovidius es sagte. Gutta cavat lapidem – stete Tropfen höhlt den Stein.

Darum sollen Sie auf Ihre Menschenrechte bestehen, denn das Völkerrecht ist nur dann gerecht, und die Menschenrechte sind nur echt, wenn sie in allen Situationen gleich für alle Menschen und Völker angewandt wird.

Meine Damen und Herren,

Das Völkerrecht ist kein Selbstbedienungsladen, wo man à la carte das nimmt und das beiseite lässt.

Wenn das Völkerrecht für die Polen, Tschechen, Slowaken, Slowenen, Kroaten, Bosniern, Serben, Armeniern, Türken und Griechen gilt

So gilt es genauso für die Deutschen und für die Österreicher – sie gilt ohne Diskriminierung.

Sie gilt für alle Vertriebenen und Ihre Nachkommen.

Was fehlt ist nämlich politischer Wille und intellektuelle Redlichkeit bei den Medien, bei den Historikern, bei den Juristen, bei den Politikern – in Polen, Tschechien, der Slowakei, Slowenien, Kroatien, Serbien – aber auch in Österreich und in Deutschland.

Man braucht diese ungerechte Situation nicht hinzunehmen. Also resignieren Sie nicht, denn Verzicht erlaubt nur die Fortsetzung und die Wiederholung des Unrechts.

Die Menschenwürde ermächtigt Sie, auf Ihre Menschenrechte zu bestehen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Professor Dr.iur. et phil. Alfred de Zayas
Geneva School of Diplomacy
zayas@bluewin.ch
www.alfreddezayas.com
Autor der Bücher
Die Nemesis von Potsdam, Herbig, München 2005.
Die Deutschen Vertriebenen, Leopold Stocker, Graz, 2006
Heimatrecht ist Menschenrecht, Universitas, München, 2001.
Und der Broschüre
Thesen zur Vertreibung, BdV/NRW, Düsseldorf, 2006

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