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München, 8 Mai 2004 – Alfred de Zayas

REDE ZUM GENOZID GEGEN DIE GRIECHEN

MEINE SEHR VEREHRTEN DAMEN UND HERREN.

Vor einer Woche sind zehn Staaten als neue Mitglieder in die Europäischen Union aufgenommen worden.

Mehrere haben wahrlich die Kriterien von Kopenhagen, vor allem in Bereich der Menschenrechte, nicht erfüllt.

Jedoch war der politische Wille da, diese Länder doch in die Union zuzulassen.

Die Türkei ist weit davon, die Kopenhagener Kriterien zu erfüllen, obwohl sie den Beitritt bereits am 14. April 1987 beantragt hat. Die Verletzungen der Menschenrechte in der Türkei noch in unseren Tagen bleiben gravierend –

Als Generalsekretär des PEN Clubs in der französischen Schweiz habe ich zusammen mit der Union Internationale des Editeurs eine zwei-tägige Konferenz organisiert, und zwar am Sitz der Vereinten Nationen in Genf, im Palais des Nations am vergangenen 7 und 8 April.

Meine Konferenz war eine Parallele Veranstaltung zur 60. Sitzungsperiode der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen, die gegenüber im Saal XVII stattfand, während wir vor allem in der Mittagspause von 13 bis 15 Uhr unsere Tables-rondes im Saal XXII hielten..

Mehrere Schriftsteller und Verleger aus der Türkei sind gekommen, um über die Verletzungen des Rechtes auf Freie Meinungsausserung, auf Pressefreiheit und Versammlungsfreiheit zu berichten. Es wurde über die Kurden gesprochen. Ich habe an den Völkermord an die Armenier und an den Griechen erinnert.

Die Veranstaltungen waren erfolgreich – viele Kommissionsmitglieder sind zu uns zugestossen sowie auch Mitglieder der Nicht-gouvernamentalen Organisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch..

Und dennoch passierte es, was immer passiert. Was heute abend nämlich passieren wird:

Die Presse war nicht da. Die Presse hat nicht berichtet.

Zwar war ein armenischer Journalist anwesend, aber in seinen in Istanbul erschienenen Artikel predigt er an die bereits Überzeugten.

Am 23 September letzten Jahres hat die Türkei den UNO-Pakt über bürgerliche und politische Rechte ratifiziert.. Am 23. Dezember 2003 ist Türkeis Ratifizierung in Kraft getreten.

Die Türkei muss nun einen Bericht an den UNO Menschenrechtsausschuss erstatten, und zwar im Laufe dieses Jahres. Wenn der Bericht noch in diesem Jahr beim Sekretariat des Ausschusses eintrifft, wird er vielleicht im kommenden Jahr 2005 vor dem Menschenrechtausschuss untersucht.

Bei dieser Gelegenheit werden die Griechen und die Armenier an die Verbrechen des Osmanischen Reiches und an die Verbrechen Kemals erinnern können.

Zwar ratione temporis wird sich der Ausschuss nicht mit Geschichte beschäftigen, doch um die heutigen Problemen zu lösen, wird man über die Vorgeschichte vor allem der kurdischen Frage beraten müssen. Dies wird die Gelegenheit bieten, jene traurigen Jahren des Ersten Weltkrieges und der Jahren danach zu studieren.

Nicht nur die Griechen und die Armenier, auch die griechische Zyprioten werden an die andauernde Verletzung ihrer Menschenrechte erinnern.

Vertragspartei sein bedeutet, gewisse Verpflichtung auf sich zu nehmen.

Die Türkei ist den Opfern eine historischen Anerkennung und möglicherweise eine Wiedergutmachung zu erstatten.

Was heisst Wiedergutmachuing ?

Kulturelle Werte, das was man als Heritage of Mankind ou Patrimoine de l'Humanité nennt – dies muss bewahrt werden.

Die griechische Präsenz in Anatolien hat der Geschichte des Abendlandes massgeblich geprägt.

Es ist kaum zu glauben, dass alle diese historische Städte einer furchtbaren ethnischen Säuberung am Anfang dieses Jahrhunderts erleiden musste.

Wir erinnern uns an Euripides und an jenen Satz gesungen vom Chor in Medea

„Der Leiden gibt es kein größeres,

als des väterlichen Landes beraubt zu sein“

(Medea , Str. 650-651)

Über das Recht auf die Heimat ist viel geschrieben worden. Sie kennen vielleicht die Werke von

Jeden Tag können wir was neues lernen.

Erst mit 22 Jahren erfuhr ich über die Vertreibung der Deutschen

Mit 25 über den Genozid gegen die Armenier

und erst jetzt über die

TAGUNG PITTSBURGH

Nun möchte ich auf eine wichtige Tagung an der University Duquesne in Pittsburgh zu sprechen kommen – vier Tage wurden der Frage der ethnische Säuberungen gewidmet.

Ich habe drei Papiere Vorgelegt

eins über den Völkermord an die Armenier

eins über die Vertreibung der Deutschen

eins über die völkerrechtlichen Aspekte von ethnischen Säuberungen allgemein.

$Der Professor aus der Austin University, Hunt Tooley hat ein Kapitel über „World War I and the emergence of Ethnic Cleansing in Europe“ schrieben

in welchem er sich u.a. mit den Völkermord an den Griechen beschäftigt

Ben Lieberman von der Fitchburg State College in Massachusetts lieferte das Kapitel über die Griechisch-Turkische Conflicte bis zum Lausanner Vertrag.

Unter den verschiedenen Anlagen zum Buche befindet sich der Text der Lausanner Vertrages bzw. über den sog. Griechich-türkische Befölkerungsaustausch.

VÖLKERMORDSKONVENTION

Die Türkei hat die Konvention gegen den Völkermord ratifiziert.

Theoretisch kann man den Völkermord an die Armenier – so wie auch den Völkermord an die Griechen – durch den Mechanismus der Konvention untersuchen und verurteilen lassen.

Theoretisch sagte ich.

Denn politischer Wille ist verlangt.

Griechenland ist auch ein Partei zu dieser Konvention und könnte gemäss Artikel VIII sich mit der Frage an die Generalversammlung, an den Wirtschafts- und Sozialrat oder sogar an den Sicherheitsrat theoretisch wenden.

Artikel VIII der Konvention besagt

eine Vertragschließende Partei kann die zuständigen Organe der Vereinten Nationen damit befassen, gemäss der Charta der Vereinten Nationen die Maßnahmen zu ergreifen, die sie für die Verhütung und Bekämpfung von Völkermordhandlungen oder einer der sonstigen in Artikel III aufgeführten Handlungen für geeignet erachten.

Auf der Basis dieses Artikels könnte Griechenland eine entsprechende Resolution in der Generalversammlung der Vereinten Nationen einbringen.

Die Generalversammlung wiederum könnte ein Gutachten vom Internationalen Gerichtshof anfordern, z.B. über die Anwendung des Konvention auf die Gescheheniße am Ende des Ersten Weltkrieges.

Artikel IX der Konvention besagt

Streitfälle zwischen den Vertragschließenden Parteien hinsichtlich der Auslegung, Anwendung oder Durchführung dieser Konvention einschliesslich derjenigen, die sich auf die Verantwortlichkeit eines Staates für Völkermord oder eine der sonstigen in Artikel III aufgeführten Handlungen beziehen, werden auf Antrag einer der an den Streitfall beteiligten Parteien dem Internationalen Gerichthof unterbreitet.

Dies könnten Kontentiös geschehen. Und zwar könnte Griechenland beantragen, dass der Internationaler Gerichthof sich über die Anwendung der Konvention äußert und dann über die konkreten Konsequenzen einer solchen Anwendung.

Es wäre insofern sehr interessant, so ein Gutachten vom IGH anzufordern, zumal des International Kriegsverbrechertirbunal für das Ehemailge Jugoslawien Milosevic dem Völkermord angeklagt hat, und vor zwei Wochen in einem Urteil beschlossen hat, dass Srebenica erfüllte die Kriterien des Völkermords.

Insofern ist der Begriff Völkermord ausdehnbar.

Erlauben Sie mir den Artikel II der Völkermordskonvention in Erinnerung zu bringen:

In dieser Konvention bedeutet Völkermord eine der folgenden Handlungen, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören:

•  Tötung von Mitgliedern der Gruppe;

•  (b) Verursachung von schwerem körperlichen oder seelischem Schaden an Mitglieder der Gruppe;

•  vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen;

•  (d) Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind;

•  gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.“

Ich bin überzeugt, dass die Geschehnisse gegen die Griechen 1918-1922 als Völkermord gelten.

Auch im Statut von Rom, das das Internationalen Strafrechttribunal ins Leben gerufen hat, finden wir Unterstützung für unsere These, denn Vertreibungen so wie gegen die Griechen praktiziert wurden, oder gegen die Armenier und die Assyrer im Osmanischen Reich, sind Verbrechen gegen die Menschheit gemässs Artikel 7 und Kriegsverbrechen gemäss Artikel 8, soweit sie in Kriegszeit geschehen.

SCHLUSSVOLGERUNGEN

Meine Damen und Herren,

die Normen sind da. Die Mechanismen sind da.

Was fehlt ist der politische Wille.

Er fehlt in Griechenland, er fehlt in Deutschland und er fehlt in den USA

Um einen politischen Willen zu bilden, muss vor allem die nötige Information vorliegen und eine Diskussion über diese Information stattfinden. dies geschieht leider nicht spontan. Man muss politisch dran arbeiten, man muss in den Kommunen arbeiten, man muss bei den Kultusministern verlangen, dass auch diese Themen in Geschichtsunterricht behandelt werden.

So wie wir tagtäglich von den Medien manipuliert worden sind, in Amerika wie in Deutschland – glücklicherweise nicht so sehr in der Schweiz, wo ich wohne --gibt es eigentlich nur einen Völkermord – nämlich den Völkermord an die Juden. Nur diese hat politische Bedeutung und finanzielle Konsequenzen.

Somit muss das Monopol des Leidens fallen.

Wenn wir aber die Sache von der Perspektive der Menschenrechte betrachten, gilt es, sich für die Gleichheit aller Opfer einzusetzen, Gleichheit in der Würde aller Opfer, so wie Jose Ayala Lasso, der erste UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, immer wieder sagte – nämlich, dass es keine politisch korrekte und politisch inkorrekte Opfer geben dürfte. Er war da für alle Opfer.

Sie werden es vielleicht erstaunlich finden, dass Ayala Lasso sich an die deutschen Vertriebenen gewandt hat. Es hat die deutschen Vertriebenen nicht als politisch inkorrekte Opfer behandelt – oder, wie ich beinahe sagen sollte – als Aussässige oder als Unpersonen behandelt.

Anlässlich der Veranstaltung 50 Jahre Vertreibung an der Paulskirche zu Frankfurt wurden die folgende Botschaft ausgesprochen:

Das Recht, aus der angestammten Heimat nicht vertrieben zu werden, ist ein fundamentales Menschenrecht.

Ein Bekenntnis der UNO zum Recht auf die Heimat lieferte die Unterkommission in ihre Resolution 1994/24, welche das Recht jedes Menschen, in Frieden in seinem eigenen Heim, auf seinem eigenen Grund und Boden und in seinem eigenen Land zu leben, bekräftigt. Ausserdem unterstricht die Resolution das Recht von Flüchtlingen und Vertriebenen in Sicherheit und Würde in ihr Herkunftsland zurückzukehren.

Uns geht es vor allem um die allgemeine Anerkennung der Menschenrechte, die auf dem Prinzip der Gleichheit der Menschen beruht. Aller Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft ist mit Ehrfurcht zu gedenken, denn jedes einzelne Menschenleben ist wichtig. Es gilt, sich stets für die dignitas humana einzusetzen.“

Die Unter-Kommission der Vereinten Nationen hat im Jahre 1997 eine Studie herausgegeben in welcher Vertreibungen eindeutig als Völkerrechtswidrig verurteilt werden. Der Bericht des damals Unter-Kommission Mitglied Awn Shakat Al-Khasawneh, heute Richter am IGH in den Haag, enthält auch eine bedeutende Erklärung, die von der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen im Jahre 1998 und vom Wirtschaft und Sozialrat ebenfalls im Jahre 1998 gutgehiessen wurde.

In dieser Erklärung heißt es unter anderen:

Artikel 4

Besonders wichtig ist der Artikel 7 der besagt, dass Vertreibungen oder Bevölkerungsumsiedlungen können nicht durch internationalen Abkommen legalisiert werden. Also, ein Vertrag wie der Lausanner Vertrag wäre heutzutage nicht völkerrechtsgemäß.

Artikel 9 – Vertreibungen sind Völkerrechtswidrig und haben strafrechtliche Konsequenzen für die Täter sowie staatliche Verantwortung für den Staat. (Artikel 9)

Artilel 10 --

Solche Verbrechen verjähren ja nicht. Dies ist allgemeine Völkerrechtsdoktrin und ist ausserden in der Konvention der Vereinten Nationen über die Nicht-Verjährbarkeit vom November 1968, in Kraft seit 1970, die allerdings von der Türkei nicht ratifiziert worden ist.

Ich möchte mit dem Gedanken schliessen, dass es gefährlich ist, über solche Verbrechen zu schweigen, über den Völkermord an die Armenier und an die Griechen.

wie Ayala Lasso sagte, wenn sich die internationale Gemeinschaft mit solchen Themen rechtzeitig beschäftigt hätte, wären die ethnischen Säuberungen in Jugoslawien wahrscheinlich nicht geschehen oder jedenfalls nicht in dem Ausmaß.

Ihre Aufgabe bleibt also aufzuklären.

Beharren Sie also auf Ihre Verlangen nach Wahrheit und Gerechtigkeit.

Copyright ©2004 Alfred De Zayas. All contents are copyrighted and may not be used without the author's permission. This page was created by Nick Ionascu.