DIE AMERIKANISCHE BESETZUNG VON GUANTÁNAMO
Sehr geehrte Herr Professor Robbers, sehr geehrte Herr Professor von Hoffmann, meine sehr verehrten Damen und Herren !
Guantánamo ist kein unbekannter Ort mehr. Spätestens seit dem Januar 2002, als Hunderte von Gefangenen aus dem Afghanistan-Krieg von den USA nach diesen Marinestutzpunkt auf kubanischen Boden gebracht wurden, wissen wir einiges darüber, obwohl wegen der amerikanische Geheimhaltung nur unvollständige Informationen uns zugänglich sind.
Der heutige Vortag wird nicht primär die menschenrechtliche Situation in Guantánamo behandeln, die ich ausführlich in meinem Artikel in der UBC Law Review untersuchte.
Zwar wissen wir aus den Zeugnissen von entlassenen Häftlingen, aus den Berichten von Rotkreuz Beobachtern, von Amnesty International, Human Rights Watch und anderen ernstzunehmenden Quellen, dass in Guantanamo gefoltert wird . Wir wissen, dass die Kriegsgefangenen und mutmaßliche Terroristen dort incommunicado gehalten worden sind, einige seit mehr als 3 Jahren, ohne Kontakt mit ihren Familien und ohne rechtlichen Beistand, in Verletzung der Bestimmungen der III. und IV. Genfer Rotkreuz Konventionen von 1949. Erst nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes der Vereinigten Staaten vom 28. Juni 2004 in den Fällen Rasul v. Bush (No. 03-334) und Al Odah v. United States (No. 03-343) wurde diesen Menschen, das Recht eingeräumt, Anwälte zu sehen und die Legalität ihrer Gefangenschaft durch das habeas corpus Verfahren zu prüfen.
Bis dorthin wurden sie behandelt, als ob sie absolut keine Rechte hätten, und die amerikanischen amtlichen Stellen behaupteten, dass, weil sie nicht auf amerikanischen Boden waren, sondern auf kubanischem souveränen Gebiet, der Schutz der amerikanischen Verfassung entfiel. Diese Argumentation hat die Supreme Court verworfen, denn die Häftlinge waren zwar nicht auf amerikanischen Boden aber wohl unter der Hoheit der amerikanischen Militärbehörden, die sie Gefangen hielten, in einem amerikanischen Marinestutzpunkt, wo die Vereinigten Staaten gemäss des Pachtvertrages vom 16./23. Februar 1903 die vollständige und alleinige Kontrolle ausüben.
Somit ist die Theorie des sog. „rechtlichen Schwarzen Loches“ bzw. der „legal black hole“ gefallen. Mehr als 700 Häftlinge sind seit Januar 2002 in Guantánamo unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten worden, zunächst in Camp X, dann in Camp Delta, und wie wir jüngst erfahren, sind eine unbekannte Zahl von Gefangenen in einem anderen, Separaten Lager, der nicht unter der Juridiktion des Pentagons sonder des CIA fiel. Inzwischen sind etwa 200 Gefangene entlassen worden, weil die U.S. Behörden keine Möglichkeit fanden, sie anzuklagen. Sie sind als traumatisierte und gebrochene Menschen zurück nach Afghanistan, Pakistan, Saudi Arabien, Frankreich, Großbritannien usw. zurückgekehrt. Nur gegen 4 Häftlinge ist bisher Anklage erhoben worden, allerdings für vage Tatbestände wie „Verschwörung, Kriegsverbrechen zu begehen“ – was das heißen soll.
Bevor wir zur eigentlichen Thema des heutigen Vortrages gehen, lohnt es sich daran zu erinnern, daß es im Völkerrecht kein rechtliches Schwarzloch gibt. So wie Baruch Spinoza, der in seiner Ethik schrieb, die Natur hasst die Leere, können wir feststellen, daß die Menschenrechte auch kein schwarzes Loch erlauben.
Die Gefangenen in Guantánamo hatten Anspruch auf den Schutz der amerikanischen Verfassung, auch wen ihnen dies verweigert wurde. Sie hatten ebenfalls den Anspruch auf den Schutz des Internationalen Paktes über Bürgerliche und Politische Rechte, der UNO-Konvention gegen die Folter, und der Bestimmungen des Kriegsgefangenenrechtes im der 3. Genfer Rotkreuzkonvention vom 1949. Insofern sie keine Kriegsgefangenen waren, dann hätten Sie den Anspruch auf den Schutz der IV. Genfer Konvention vom 1949. Die Vereignigten Staaten sind Vertragpartei von allen diesen Konvention. Und, wie die Vertragsorgane deutlich geäußert haben, die Anwendung der Verträge sich nach der Kontrolle über die Menschen richtet, nicht nach dem Ort der Gefangenschaft. Somit waren die Gefangenen niemals in einem „rechtlichen Schwarzen Loch“. Die Normen waren und sind da. Aber die Normen sind von den USA missachtet worden. Wir haben also nicht mit einer Situation des Mangels an Rechtsregeln sondern mit einer Situation der Verletzung der Normen und der Impunität der amerikanischen Behörden zu tun.
Ferner ist festzustellen, dass die Befragungen der Gefangenen ganz offensichtlich nichts bzw. kaum etwas erbracht haben, und dass, wie Richard Goldstone , ehemaliger Hauptankläger beim Jugoslawientribunal in den Haag bemerkte, diese Menschen müssen entweder angeklagt oder freigelassen werden.
Das Thema des heutigen Vortrages ist aber die amerikanische Besetzung von Guantanamo Bay. Was ist der Status des amerikanischen Marinestützpunktes von Guantánamo im Völkerrecht?
Guantánamo ist eine Stadt im Südosten Kubas mit einer Bevölkerung von etwa 200,000 Menschen, die u.a. von der Zuckerverarbeitung leben. Einige verbinden mit Guantánamo vor allem die Zuckerernte und das schöne Guajira-Lied „Guantanamera“ dessen text von José Martí stammt, dem Führer des kubanischen Unabhängigkeitskrieges von 1895.
Neben der Stadt liegt die Guantánamo Bucht mit dem großen Hafen und das Hinterland, das dazu gehört, insgesamt 117.6 Quadratkilometer, ein Gebiet größer als die Insel von Manhattan und ihr Hafen.
An sich ist der Hafen von Guantánamo der beste Hafen Kubas – sehr tief, darum ideal für große Schiffe und Unterseeboote. Er geht aus tief Inland.
Die Vereinigten Staaten besetzten den Hafen während des amerikanisch-Spanischen Krieges von 1898, die eigentlich eine amerikanische Intervention in den damals tobenden kubanischen Unabhängigkeitskrieg war. Wenn die Amerikaner nicht eingeschritten wären, wäre Kuba wohl unabhängig von Spanien geworden, ohne ein Protektorat der Vereinigten Staaten zu werden. Der Grund für die amerikanische Intervention im kubanischen Krieg waren die wirtschaftlichen und imperialen Interessen der Vereinigten Staaten, die unter der „Monroe Doctrine“ und als „Manifest Destiny“ bekannt wurden. Tatsächlich versuchten jahrzehntelang die Vereinigten Staaten Kuba von Spanien zu kaufen. Und als die Kaufverhandlungen im Jahre 1897 endgültig scheiterten, entschlossen sich die Vereinigten Staaten Kuba mit Gewalt zu erobern, was sie auch durchsetzten.
Im Friedensvertrag von Paris , musste Spanien nicht nur Kuba abtreten, sondern auch Puerto Rico, Guam und die Philippinen.
Nach vierjähriger Besetzung Kubas, entschlossen sich die Vereinigten Staaten, die Insel in einer bedingten Unabhängigkeit zu entlassen.
Um die juristische Situation zu beurteilen, muss man auf einige relevante Dokumente hinweisen:
das sog. Platt Amendment , wonach Kuba der Vereinigten Staaten ein Interventionsrecht einräumte, und das in der kubanischen Verfassung von 1902 aufgenommen werden musste;
Der erste Pachtvertrag über Guantánamo vom 16. bzw. 23. Februar 1903 ;
der Zusatzvertrag vom 2. Juli 1903 ;
Die Schecks der Vereinigten Staaten für die jährliche Miete für Guantánamo Bay
Gemäß Art. III des Platt Amendments, hatten die Vereinigten Staaten das Recht, militärisch in Kuba zu intervenieren, was sie übrigens wiederholte Male taten. Gemäß Art. VII verpflichtete sich Kuba, den Vereinigten Staaten Marinestützpunkte zu verpachten.
Zwar hat die verfassunggebende Versammlung Kubas diese Beschränkungen der kubanischen Souveränität zunächst abgelehnt ; jedoch haben die Vereinigten Staaten deutlich gemacht, dass die vier-Jahre andauernde militärische Besetzung Kubas nur unter der Bedingung beendet werden würde, wenn Kuba den Text des Platt Amendments akzeptierte. So mussten sich die Kubaner dem Gewalt beugen, und haben sogar auch einen separaten Vertrag mit den Vereinigten Staaten im Jahre 1903 schließen müssen, indem sie diese Bedingungen noch einmal vertraglich festlegten.
Gemäß Artikel III des Pachtvertrages vom 16. bzw. 23. Februar 1903 wird festgestellt, dass Kuba die Bucht von Guantánamo an die USA verpachtet, dass die USA die volle Juridiktion ausüben, aber Kuba die Souveränität beibehält. Es wurde keine Frist gesetzt, bis wann diese Pacht andauern sollte.
Im Artikel II wird festgestellt, dass das Gebiet ausschliesslich als Bunkerstation und Marinebasis zu nützen war. Nach dem englischen Text wird die Nützung beschränkt für : „coaling or naval station only, and for no other purpose “
Der Zusatzvertrag verfügte, dass die Vereinigten ´Staaten keine kommerzielle oder industrielle Einrichtung in Guantánamo betreiben dürften.
Im Jahre 1934, als die Vereinigten Staaten den kubanischen Handel, die Wirtschaft und die Politik mehr oder weniger in der Hand hatten, beschloss Präsident Franklin Delano Roosevelt, auf das Platt Amendment formell zu verzichten, und so wurde der Vertrag über die Beziehungen zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten von 1903 gekündigt, mit einer Ausnahme -- Guantánamo . Die Pacht sollte verlängert werden, und anstatt die herkömmlichen Jahresmiete von $ 2.000 sollte ab sofort eine Jahresmiete von $ 4,085 gezahlt werden, und dies für die besagten 117.6 Quadratkilometer.
Erst im Jahre 1959, nach der kubanischen Revolution von Fidel Castro, bedeutete dieser den Vereinigten Staaten, dass Kuba die Ausübung der im Pachtvertrag bestätigte Souveränität in Guantánamo beabsichtigte, und dass die 61-Jahre andauernde Besetzung vom kubanischen Boden seit 1898 beendet werden sollte. Die Vereinigten Staaten lehnte die Forderung ab, und argumentierten, dass gemäß des Vertrages dieses nur gekündigt werden könnte, wenn beide damit einverstanden waren. Somit verlangte der Pächter mehr Rechte als jene des Souveräns, und dies trotz der Tatsache, dass Kuba im Jahre 1903 keinesfalls Souverän war und doch den Verkauf des Hafens strikt ablehnte, und schließlich den von den Vereinigten Staaten redigierten Pachtvertrag unter massiven Gewaltdrohungen akzeptierte.
Was folgte war eine einigermaßen merkwürdige Situation. Und zwar schicken die Vereinigten Staaten jedes Jahr den Scheck für $ 4.085 und Kuba weigerte sich, die Schecks einzulösen, sondern behält sie für Museumszwecken.
Zwei bekannte schweizerische Künstler, Christoph Bücher und Gianni Motti, sind auf die Idee gekommen, das Gebiet von Guantánamo zum Zwecke eines Kulturzentrums-Guantánamo zu mieten und haben in diesem Sinne an die kubanische Regierung geschrieben. Sie argumentierten, dass, da die amerikanische Besetzung illegal ist, Kuba das Gebiet an einem anderen Mieter anbieten kann. Als neue Mieter würden sie ein Kulturzentrum einrichten, wo aus Lateinamerika und der Welt Künstler und Literaten eingeladen werden würden. Das ganze sollte unter dem Titel „Festival Guantanamera“ laufen. In diesem Sinne haben die zwei Künstler eine Ausstellung in Paris eröffnet, die vom September bis November im Schweizerischen Kulturzentrum unter dem Titel „Initiative Guantánamo“ zu sehen war und viel Presseecho hatte, nicht zuletzt deswegen, weil Faksimile-Kopien von 45 Schecks der U.S. Treasury in der besagten Summe von $ 4.085 ausgestellt wurden, sowie auch den Text des sog. Breckenridge Memorandums, nämlich das Memorandum vom Dezember 1897 von Undersecretary of War J.C. Breckenridge an Lieutenant General Nelson Miles, in welchem die Strategie der Vereinigten Staaten in den geplanten Krieg gegen Spanien 1898 beschrieben wird . Die Ausstellung ist im Dezember weiter nach Miami gezogen und wird vermutlich demnächst im Schweizer Kulturzentrum in Milano gezeigt.
Ich selber war bei der Ausstellung im September und habe einen Vortrag über die Rolle der Künstler in der Politik gehalten, in Hinblick auf die Tatsache, dass es dem Völkerrechtlern bisher nicht gelungen ist, die skandalöse Situation in Guantánamo zu ändern. Wenn die Juristen es nicht schaffen, kommen die Künstler an die Reihe.
Nun die Frage: Wieso sind die Amerikaner noch in Guantánamo, 46 Jahre nachdem Kuba sie höflich aufforderte, das Land zu verlassen?
Kann ein Land Militärstützpunkte in anderen Ländern auf ewig behalten, auch wenn der souveräne Staat es nicht mehr will ?
Die US Regierung behauptet, dies zu können, denn der Vertrag legt keine Frist, und nach seinem Wortlaut, nur nach gemeinsame Vereinbarung gekündigt werden kann.
Nun, was sagt das Völkerrecht?
Ist der Vertrag nichtig ex tunc, ab initio ? Dies behauptet Kuba . Jedoch, muss man das Völkerrecht anwenden, das im Jahre 1902 bzw. 1903 galt. Damals gab es kein völkerrechtliches Gewaltverbot, keinen Kellogg-Briand Pakt, keine Stimson-Doktrin, keine Charta der Vereinten Nationen, keinen Artikel 2, Absatz 4, keine Friendly Relations Resolution der Generalversammlung, keine Wiener Vertragsrechtkonvention, dessen Artikel 51-52 Verträge für nichtig hält, wenn sie aufgrund von Gewalt oder Androhung von Gewalt entstanden sind.
Wir reden 1902, damals war der Höhepunkt des Imperialismus und des Kolonialismus. Alle spielten das Spiel, die Deutschen im Sudwest-Afrika, die Belgier im Congo, die Franzosen in Algerien und Senegal usw., die Engländer so gut wie überall.
Da es kein Gewaltverbot gab, konnten die Staaten Gebiete durch Eroberung gewinnen. So haben die Vereinigten Staaten sämtliche Verträge mit dem König von Hawaii verworfen und gegen den willen der Bevölkerung von Hawaii, die Inseln 1898 annektiert. So hätten die Vereinigten Staaten Kuba nicht nur besetzen und zwingen, Guantánamo als Marinestutzpunkt herzugeben, sie hätten die ganze Insel schlechthin annektieren können.
Das Völkerrecht hat sich aber seit 1903 etwas entwickelt.
Der Kolonialismus in der Welt endete allmählich in den 1950er und 1960er Jahren. Aber nicht nur die Verwaltung und Ausbeutung von Afrika und Asien durch die europäischen Staaten. Mit der Entkolonisierung fielen auch die Pachtverträge, Konzessionen, und anderen erzwungenen Verträge ab, nämlich alle die „unequal treaties“ und ausbeuterische Vereinbarungen, die den Kolonien aufgezwungen worden waren.
Zwar war der Guantánamo Vertrag völkerrechtsgemäß ex tunc – aber späterstes seit der Zeit der Entkolonisierung stellt er ein Anachronismus dar. Eine Reihe zwingende völkerrechtliche Normen bestimmen die Ungültigkeit des Vertrages. Hier darf auf Artikel 53 und auf Artikel 64 der Wiener Vertragsrechtskonvention hinweisen.
eine Regel des zwingenden Völkerrechts, des jus cogens , ist entstanden, nämlich das Selbstbestimmungsrecht der Völker, wonach die Völker nicht nur Anspruch auf ihre Unabhängigkeit haben, sondern Anspruch auf die Verwendung ihres Landes und Ihre Ressourcen, so im Artikel I des Internationalen Paktes über Bürgerliche und Politische Rechte und im Artikel I des Paktes über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte, beide von den Vereinigten Staaten durch Ratifizierung anerkannt und akzeptiert.
So lautet Absatz 2 des Artikels 1:
„Alle Völker können für ihre eigenen Zwecke frei über ihre natürlichen Reichtümer und Mittel verfügen, unbeschadet aller Verpflichtungen, die aus der internationalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit auf der Grundlage des gegenseitigen Wohles sowie aus dem Völkerrecht erwachsen.“
Einschlägig sind auch die Resolutionen der Generalversammlung
No. 523 (VI) Permanent Sovereignty over Natural Resources“ vom 12. November 1953
No. 1514 (VI) Proclamation on the Granting of Independence to Colonial Countries and Peoples“ vom 14. Dezember 1970,
Und natürlich
No. 2625 „Declaration on Principles of International Law concerning Friendly Relations and Co-operation among States in accordance with the Charter of the United Nations“ vom 24. Oktober 1970.
Zweitens ist ein Prinzip der Revision von „unequal treaties“ entstanden, die auf die Gleichheit aller Staaten beruht. Danach sind Verträge die zwischen ungleichen Vertragsparteien und unter Anwendung von Gewalt oder der Drohung von Gewalt entstanden sind, hinfällig. Das „ rebus sic stantibus “ Prinzip im Artikel 62 der Wiener Vertragsrechtskonventions ist ebenfalls einschlägig.
Der Guantánamo Pachtvertrag enthält auch eine gravierende Unstimmigkeit. Während der Vertrag die Souveränität Kubas bestätigt, würde er dem nicht-souveränen Pächter oder Mieter erlauben, den Pachtvertrag auf ewig zu verlängern, als ob es sich um eine Zession oder einem Verkauf des Territoriums handelte. Nach dem Prinzip der Souveränität des Staates muss der Souverän immer die Möglichkeit haben, den Pächter nach einer gewissen vernüftigen Frist zu verabschieden. Hinzu kommt das Prinzip „ Ex injuria non oritur jus “, denn die Vereinigten Staaten sind diejenigen, die diese Vertragsformel auf Kuba seinerzeit aufgezwungen haben. Gemäß Artikel 56 der Wiener Vertragsrechtskonvention wird bei den wenigen Verträgen, die keine Kündigungsklauseln beinhalten, bestimmt, daß dieses Recht in der Natur des Vertrages liegen kann und hineininterpretiert werden kann „ a right of denunciation or withdrawal may be implied by the nature of the treaty“. Dies dürfte der Fall bezüglich des Pachtvertrages über Guantánamo sein.
Es gibt viele andere Grunde für die Nichtigkeit des Guantánamo Pachtvertrages. Wiederholte Male hat Kuba darauf hingewiesen, dass die Vereinigten Staaten den Vertrag in materieller Weise gebrochen haben, dass sie gegen den Sinn und Zweck des Vertrages handeln, zumal der Wortlaut des Artikels 2 unmißverständlich die Nützung der Guantánamo Bucht als „coaling and naval stations“ beschränkt, und noch hinzu fügt „and for no other purpose“. Bereits in den 90er Jahren haben die Vereinigten Staaten Guantánamo als Internierungslager für etwa 30,000 Haitianer verwendet, auch für etwa 20,000 kubanische Flüchtlinge. Heute ist Guantanamo eine Folterstätte geworden, die von sämtlichen Menschenrechtsorganisationen verurteilt worden ist. Die Verwendung Guantánamos, auf kubanischen souveränen Gebiet, zum Zwecke des Folters und der massiven Menschenrechtsverletzungen, seine künftige Verwendung für militärische Prozesse ohne normale Gerichtsverfahren, und als eventuelle Exekutionsstätte – all dies stellt eine groteske Verletzung des Artikels 2 des Pachtvertrages, das die sofortige Kündigung gerechtfertigt, und zwar gemäß Artikel 60 der Wiener Vertragsrechtskonvention.
Auch Verletzungen des Zusatzvertrages liegen vor, denn die Vereinigten Staaten betreiben eine Reihe kommerzielle Einrichtungen in Guantanamo, u.a. ein 10-pin Bowling Alley, ein Basking Robbins, und natürlich ein Macdonalds. In Vergleich aber mit den anderen Argumenten, sind diese kommerziellen Aktivitäten kaum der Rede Wert.
Es ist interessant darauf hinzuweisen, dass in 1903 am selben Jahr als die Vereinigten Staaten den Pachtvertrag üb er Guantanamo durchsetzen, sie auch ein Pachtvertrag mit Panama schlossen – in dem Panama sogar die Souveränität über die Panama Kanalzone an die Vereinigten Staaten im Perpetuum bzw. auf Ewigkeit abtrat.
In den 60er und 70er Jahren verlangten aber panamanische Politiker und die meisten Lateinamerikanische Staaten eine Revision des Panama Canal Vertrages, sowohl in der Generalversammlung der Vereinten Nationen wie auch im Sicherheitsrat. Dies bewog die Vereinigten Staaten zu neuen Verhandlungen und zu einem neuen Vertrag vom 1977, wonach die Souveränität über de Panamakanalzone an Panama zurück ging.
In diesem Zusammenhang lässt sich auf die Erfahrung in Hong Kong und Macau hinweisen. In beiden Fällen sind die 99-Jahres Pachtverträge 1997 und 1999 abgelaufen. Großbritannien und Portugal versuchten, mit China darüber zu verhandeln, um die Verlängerung der Pachtverträge zu vereinbaren. China hat beiden bedeutet, dass sie auf friedlicher Weise die Gebieten zu verlassen hätten, was auch beide taten. Natürlich sind China und Cuba nicht vergleichbar. China hätte den Engländer und die Portugiesen ins Wasser werfen können. Dies kann Kuba mit den Amerikanern nicht tun, auch senn sie das Gebiet nicht 99 Jahre sonder bereits 107 Jahre besetzt halten.
LOSUNGSSCENARIOS
Gemäß Artikel 2, Absatz 3, der UNO Charta besteht eine Verpflichtung zur friedlichen Lösung von Konflikten.
Kuba strebt eine friedliche Lösung, die bisher von den Vereinigten Staaten abgelehnt wird. Zwar kann Kuba kein Gutachten vom Internationalen Gerichtshof anfordern, aber gemäß Artikel 96 der UNO Charta könnte die Generalversammlung dies tun, mit der bitte um eine Klärung der juristischen Fragen über die Souveränität, über die Nichtigkeit des Pachtvertrages als Inkompatibel mit dem heutigen Völkerrecht, über die Anwendung der Genfer Konvention und des Paktes über bürgerliche und politische Recht und der Konvention gegen die Folter im Gebiet von Guantánamo, usw.
So haben die Generalversammlung ein Gutachten vom IGH bezüglich der Legalität und der Konsequenzen des Mauerbaus im palästinensischen Gebieten in Jahr 2003 angefordert und bereits am 9. Juli 2004 erhalten. Der Sicherheitsrat hat ein Gutachten über die Besetzung Namibias durch Süd-Afrika angefordert und im Jahre 1971 eine deutliche Antwort erhalten. Die Kompetenz des IGH in solchen Rechtsstreitigkeiten ist sowohl bekannt als auch nützlich.
Nun, da das Selbstbestimmungsrecht der Völker und die Menschenrechte Verpflichtungen erga omnes darstellen, haben alle Staaten ein legitimes Anliegen an die Klärung der Guantánamo Fragen.
Ferner können sie andere UNO-Prozeduren in Anspruch nehmen, so z.B. die Staatenbeschwerdeprozedur gemäß Artikel 41 des Paktes über bürgerliche und politische Rechte, und die Staatenbeschwerdeprozedur gemäß Artikel 21 der Konvention gegen die Folter.
Die Staaten könnten vom UNO Menschenrechtsausschuss eine Stellungnahme über die Anwendung von Artikel 1 des Paktes über bürgerliche und politische Rechte in Guantánamo, und die juristische Konsequenzen der Verletzung des Selbstbestimmungsrechtes durch die Vereinigten Staaten. Sie könnten eine Klärung ersuchen über die Inhaftierung von Personen, die weder angeklagt noch freigelassen werden, unter Verletzung des Artikels 9 des Paktes über bürgerliche und politische Rechte.
Die regionale Prozeduren der Organisation der Amerikanischen Staaten OAS und der Inter-American Commission on Human Rights könnten ebenfalls ins Spiel gebracht werden. Ein Request for Precautionary Measures war bereits am 13. März 2002 ohne Erfolg vor der IACHR behandelt worden . Ich sage ohne Erfolg, weil die Vereinigten Staaten die Kooperation verweigerte.
Auch der UNO-Generalsekretär könnte als Mediator herangezogen werden. Appell an eine Schiedsgerichtsbarkeit wäre auch möglich.
Aber, wie Sie selber wissen, meine Damen und Herren, fehlt die Bereitschaft in Washington. Das Völkerrecht ist in diesem Punkto klar. Die Normen sind da. Die Mechanismen sind da. Aber der einzige Superpower in der Welt handelt nach wie vor nach der Maxime: Macht ist Recht.
Eine andere Regierung in den Vereinigten Staaten könnten anders handeln. Wie Richard Goldstone sagte, „ein küftiger amerikanischer Präsident wird sich für Guantánamo entschuldigen müssen.“
Alfred de Zayas, „The Status of Guantanamo Bay and the Status of the Detainees”, in 37 University of British Columbia Law Review, pp. 277-341.
Vikram Dodd, “U.S. Captors' Systematic Torture”, The guardian, 27 January 2005. Steven Carrell, Raymond Whitaker and Andrew Buncombe, „My Nightmare of Turture and Assault“ by Briton held in Guantanamo, The Independent, United Kingdom, Sunday 30 January 2005. CIA's Ghost Prisoners, Friday 28 January 2005. Associated Press, Patsy Dodds, “Gitmo Soldier Details Sexual Tactics”, 27 January 2005. United Nations Press Release, 4 February 2005, United Nations Human Rights Experts Express Continued Concern about Situation of Guantánamo Detainees, including Manfred Nowak, the UN Special Rapporteur on Torture.
Lord Johan Steyn, „Guantanamo Bay: The Legal Black Hole“ 27th F.a.Mann Lecture to the British Institute of International and Coparative Law, 25 November 2003, published in (2004) 53 I.C.L.Q. pp. 1 et seq.
Interview with Richard Goldstone, former Chief Prosecutor of the UN War Crimes Tribunal in Vivian White, BBC (5 October 2003), on Inside Guantanamo, BBC Panorama.
Treaty of Peace between Spain and the United States, signed at Paris, 10 December 1898, 187 Cons. T.S. 100.
Hugh Thomas, Cuba: The Pursuit of Freedom, ev. ed. (London: Picador 2001); Jorge Dominguez, Cuba: Order and Revolution (Cambridge, Mass, the Belknap Press of Harvard University Press, 1978); Emilio Roig de Leuschenring, Historia de la Enmienda Platt: Una Interpretación de la Realidad Cubana , La Habana, 1935.
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Thomas, a.a.O., pp. 263-64.
Treaty between Cuban and the United States determining their Relations. 23 May 1903. 193 Cons. T.S. 198, 33 U.S. Stat. 2248 (entered into force 2 July 1904).
Treaty Concerning the Relations between the United States of America and the Republic of Cuba, 29 May 934, CL L.N.T.S. 95 (treaty registered 3 July 1934).
For a full text of the memorandum see „The Breckenridge Memorandum“, online: The Timetable History of Cuba http://www.historyofcuba.com/hisotry/bmemo.htm . See also Roig de Leuschenring, a.a.O.. Frank Fernandez, “Political Realism Reconsiders: U.S.-Cuba Relations” (2001) 13 LBJ Journal of Public Affairs 21 at 24. Olga Miranda Bravo, Vecinos Indeasables , La Habana, p. 21. The author has not yet succeeded in finding the original of the memorandum in the U.S. National Archives.
Alfred de Zayas, „Le défi de Guantánamo » in www.alfreddezayas.com.
Olga Miranda, a.a.O. See Core document forming part of the reports of States Parties: Cuba , U.N. Doc. HRI/CORE/1/Add.84 (10 October 1997) at para. 22.
Dinah Shelton, „The Legal Status of the Detainees at –Guantanamo Bey: Innovative Elements in the Decision of the Inter-American Commission on Human Rights of 12 March 2002“ 23 Human Rights Law Journal 13. For the American Declaration of Rights and Duties of Man, see O.A.S. General Assembly, 9 th Session O.A.S. Res. XXX (1948)
Goldstone, a.a.O.
Below is a facsimile of an uncashed check of the
U.S. Treasury to the Tesorero General de la Republica de Cuba in
the amount of $ 4.085 as purported annual lease for 117.6 square
kilometers of Cuban territory (larger than Manhattan Island). Cuba
has asked the United States to end its illegal occupation . But
the US stays put and Cuba keeps the uncashed checks in a museum.
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