VERLEIHUNG DES MENSCHENRECHTSPREISES
DER SUDETENDEUTSCHEN LANDSMANNSCHAFT
MÜNCHEN 8 Mai 2004
PROFESSOR DR ALFRED DE ZAYAS INSTITUT UNIVERSITAIRE DE HAUTES ETUDES
INTERNATIONALES, GENF
Meine sehr verehrten Damen, meine Herren ! Preisverleihungen
bieten nützliche Anlässe --Anlässe zur Besinnung
über gemeinsame Werte,um wichtige Wahrheiten auszusprechen,und
vor allem, Anlässe, an geschätzte Menschen zu denken und
ihnen zu danken. Beginnen möchte ich doch mit Worten zu unserer
gemeinsamen Verpflichtung gegenüber den Menschenrechten.Tatsächlich
gibt es ist keine noblere Aufgabe, als für die Verwirklichung
der Menschenrechte zu arbeiten,für soziale Gerechtigkeit und
historische Wahrheit zu kämpfen,und damit auch für die
eigene Identität, und für die Heimat.Denn Heimatrecht
ist kein Begriff aus dem Elfenbeinturm.Es ist ein fundamentales
Menschenrecht und zudem eine wichtige Voraussetzungfür den
Genuss vieler anderen Rechte, Dies hat der erste UNO Hochkommissar
für Menschenrecht, Jose Ayala Lasso, in einerGrussbotschaft
an die deutschen Vertriebenen anlässlich der Gedenkstunde „50
Jahre Vertreibung“ in der Paulskirche zu Frankfurtbereits
vor neun Jahren zum Ausdruck gebracht.Ich wundere mich, weshalb
die Worte Ayala Lassos so selten in der deutschen PresseWiderhall
finden. Ich zitiere sie so oft ich kann, in meinen Reden, in Büchern
und Artikeln,Offensichtlich wollen aber die Medien bestimmte Aussagen
nicht wahrhaben.Dabei war Ayala Lasso eigentlich kein „politisch
nicht korrekter“ Mensch, ganz im Gegensatz zu mir, da ich
manchmal wohl bewusst provozierende Formulierungen verwende, um
das Verborgene, das psychologisch Entscheidende ans Licht zu bringen.Ayala
Lasso war und ist ein moralischer Mensch, der Wert darauf legte,
sein Amt als Hochkommissar für Menschenrechte nicht auf politisch
korrekte Slogans zu bauen oder auf die politisch korrekten Opfer
zu beschränken,sondern er verstand sein Amt als eine Verantwortung
für alle Menschen dieser Erde, auch für die Deutschen,
und für alle Opfer von Ungerechtigkeit, darum auch für
die deutschen Vertriebenen.Hoffen wir, dass sein Nachfolger, die
vor kurzem ernannte kanadische Richterin Louise Arbour auch in diesem
Sinne ihr Amt versteht – nämlich für alle Menschen
unserer Welt.Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, an dieser
Stelle eines Freundes gedenken, meines sehr verehrten Lehrers und
KollegenProfessor Otto Kimminich,der viel zu früh verstarb,
bereits vor bald sieben Jahren. Seine Bücher über das
Recht auf die Heimat haben mich so überzeugt, dass ich ebenfalls
eine Forschungstätigkeit in diesem Gebiet aufnahm.Kimminich
stellte fest:„Das Recht auf die Heimat ist nicht nur das wichtigste
der kollektiven Menschenrechte, sondern schafft auch die Voraussetzung
für den Genuss vieler individueller Menschenrechte“.Warum
ist das Heimatrecht ist eine conditio sine qua non für den
Genuss vieler anderer Rechte ? Die Antwort liegt auf der Hand, denn
Menschenrechte werden nicht im luftleeren Raum ausgeübt, sondern
vornehmlich dort, wo man zu Hause ist, wo man geboren wurde, wo
man aufgewachsen ist und seine Wurzeln hat. Dort besitzt man eine
Identität, dort hat man eine Beziehung zu einer Gemeinschaft,
zu einer Strasse, zu einer Kirche, zu einem Friedhof. So schrieb
Rilke in seinem zweiten Gedichtszyklus „Die Larenopfer“
von seiner Heimat Böhmen, von seinen Landschaften, Kirchen
und Parkanlagen.Jedoch in seinem Gedicht In Dubiis rühmt er
vor allemdie Weltoffenheit. Nun schliesst er sein Gedicht wie folgt:
„Ist sein Heim die Welt; es misst ihm doch nicht klein der
Heimat Hort; denn das Vaterland, es ist ihm dann sein Haus im Heimatsort.
“Also doch Heimat. Ein Patriotismus des Kamins
und des Dorfes.Noch eines zu früh verstorbenen Lehrers möchte
ich danken, dem Professor der die wissenschaftliche Voraussetzung
für meine Beschäftigung mit der Vertreibung der Deutschen
schuf:Richard Baxter von der Harvard Law School, später amerikanischer
Richter am Internationalen Gerichtshof in den Haag.Baxter hat mich
unter anderem auf die Bücher von Victor Gollancz verwiesenvor
allem auf das Buch Our Threatened Valuesund In Darkest Germany,Erst
aus diesen Büchern habe ich über den Horror der Vertreibung
erfahren. So schrieb Gollancz im Jahre 1946:„Sofern das Gewissen
der Menschheit jemals wieder empfindlich werden sollte, werden diese
Vertreibungen als die unsterbliche Schande all derer im Gedächtnis
bleiben, die sie veranlasst oder sich damit abgefunden haben ...“
Dann im Laufe meiner Forschung lernte ich den amerikanischen Botschafter
und ehemaliger Berater Eisenhowers, Robert Murphy, kennen.Er berichtete
in einem Memorandum vom 12. Oktober 1945 nach Washington:„Unser
Wissen, dass sie Opfer harter politischer Beschlüsse sind,
die mit äusserster Rücksichtslosigkeit und Missachtung
der Menschlichkeit ausgeführt werden, mildert die Wirkung nicht...
Wenn die Vereinigten Staaten auch vielleicht keine Mittel haben,
einen grausamen, unmenschlichen und immer noch andauernden Prozess
aufzuhalten, so scheint es doch, dass unsere Regierung unsere in
Potsdam klar dargelegte Einstellung unmissverständlich wiederholen
könne und müsste. Es wäre sehr bedauerlich, wenn
es einmal heissen sollte, dass wir an Methoden beteiligt gewesen
seien, die wir bei anderen Gelegenheiten oft verdammt haben.“
In mehreren persönlichen Gesprächen und in unserem Briefwechsel
äusserte Murphy 30 Jahren nach der Vertreibung erneut seine
Abscheu vor diesem Verbrechen gegen die Menschheit.An dieser Stelle
möchte ich ihm noch einmal dafür danken, dass er so deutlich
im Vorwort zu meinem ersten Buch Nemesis at Potsdamauf Deutsch erschienen
mit dem Titel:Die Anglo-Amerikaner und die Vertreibung der Deutschenzur
Immoralität der Vertreibung Stellung bezogen hat.Dank muss
ich auch zwei wunderbaren Menschen, beide Sudetendeutschen, Dr.
Walter Vorbach und seiner Ehegattin Helene, sagen. Ich wohnte bei
ihnen, als ich als Referent am völkerrechtlichen Max Planck
Institut in Heidelberg arbeitete.Er stammte aus Gablonz, sie kommt
aus Mödriz bei Brünn.Von ihnen habe ich viel gelernt.
Nicht nur „oral history“ sondern auch u.a. Besonnenheit
und Werte der Lyrik, denn beide liebten die Dichtung. Walter und
Helene waren gewissermassen meine deutschen Eltern, und ich fühlte
mich stets bei ihnen zu Hause. Zwei Jahrzehnte lang hatte ich das
Privileg mit beiden eine enge Freundschaft zu geniessen, doch der
liebe Walter verstarb vor fünf Jahren, achtundachtzig jährig.Seine
Witwe Helene lebt noch in dem schönen Haus in Heidelberg, wo
sie und Walter eine neue Heimat aufbauten. Oft sprachen wir über
Rilke, einer der Lieblingsdichter der Vorbachs. Aber Walter war
auch selber Dichter: Böhmen„Die anderen kamen und sprachen,
wir hätten nicht teil an Dir. Sie wiesen durch Siegel, Zahl
und Brief, dass einer von ihnen ins Land uns rief. Sie hätten
als erste hier Zelte geschlagen und darum seiest Du ihr Böhmen.Wir
feilschten nicht um Zahlen, rechteten nicht, seit wann’s in
Böhmen Deutsche gibt. Hier standen wir. Bedurfte es der Worte
noch? Und wären wir erschlagen, hätten doch die steinernen
Gebete Deiner Kathedralen bezeugt, wie Deutsche Dich geliebt, Böhmen....
Mit Wenzel, Karl und Witiko warst Du Europas Mitte.
Ob Du es jemals wieder wirst, weiss Gott allein.“Auch ein
Sudetendeutscher Freund aus Heidelberg, Professor Joseph Suchy,
überzeugte mich durch seine wissenschaftlichen Arbeiten, seine
Herzlichkeit und seine Aufrichtigkeit, dass in der Vertreibung der
Deutschen nicht nur ein würdiges Forschungsthema vorlag, sondern
sogar eine Lebensaufgabe.Ich müsste noch so viele andere Menschen
nennen, denen ich wissenschaftlich und menschlich viel verdanke.
Erlauben Sie mir nur noch zwei zu nennen, Professor Dietrich Blumenwitz
von der Universität Würzburg, und der inzwischen verstorbenen
Toni Herget vom Herder Institut in Marburg.Alle diese Menschen haben
mir geholfen, die vielschichtige historische und menschenrechtliche
Problematik zu verstehen.In einem berühmten Gedicht hat Rainer
Maria Rilke seine Aufgabe so verstanden: “Oh sage, Dichter,
was Du tust? – Ich rühme“ Heute ist es auch meine
angenehme Aufgabe, Menschen zu rühmen. Menschen, die von der
heutigen Generation allerdings viel zu wenig Anerkennung bekommen.
Ich halte es für eine ehrenvolle Aufgabe, die deutsche Kriegsgeneration
zu loben, vor allem die Ostdeutschen, die so viel haben erleiden
müssen, und die trotz enormer personeller und materieller Verluste,
die Ethik, die Seelenkraft und den Willen aufgebracht haben, im
Sinne der Charta der Heimatvertriebenen, wieder aufzubauen um das
heutige demokratische Deutschland mit zu ermöglichen. Was wäre
aus der deutschen Demokratie geworden ohne grosse Ost- und Sudetendeutsche
wie Kurt Schumacher, Wenzel Jaksch, Paul Löbe, Erich Mende,
Heinrich Windelen oder – vielleicht demnächst –
Horst Köhler mit seinen familiären Wurzeln in Bessarabien,
dem heutigen Moldawien ... ? Jedoch herrscht im heutigen Deutschland
– wie übrigens auch in Amerika – eine verwerfliche
Doppelmoral.Man muss diese Tatsache konstatieren und bemüht
sein, nur Wahrheit walten zu lassen, denn Doppelmoral vergiftet
eine Gesellschaft. Doppelmoral ist eine Form der Lüge und somit
ein Angriff auf die menschliche Würde.Auch in Tschechien und
Polen herrscht Doppelmoral. Den polnischen und tschechischen Nachbarn
möchte ich empfehlen, sich aufrichtig in den Spiegel zu schauen.
Ich appelliere an die tschechische und polnische bürgerliche
Gesellschaft, an die Civil Society – auch anderthalb Jahrzehnte
nach der Implosion des Kommunismus leider immer noch nur rudimentär
ausgebildete -- sich für die Menschenrechte einzusetzen, und
die Verbrechen der eigenen Geschichte, ja vor allem die geschichtliche
Verantwortung für das durch Edvard Benesch den Sudetendeutschen
zugefügte Unrecht einzugestehen.Ja, Benesch ist gerade vom
tschechischen Parlament geehrt worden. Und dennoch hat er sich gegenüber
den Menschenrechten schuldig gemacht. Meine Damen und Herren, erlauben
Sie mir eine einfache Frage. Sind die Verbrechen von Pol Pot in
Kambodscha oder von Idi Amin in Uganda weniger verwerflich nur deshalb,
weil diese beiden nie von einem Tribunal verurteilt wurden und ruhig
im eigenen Bett verstarben ? Nein, meine Damen und Herren. Hier
geht es nicht um eine saubere Weste für Pol Pot oder Idi Amin,
oder für Benesch auch nicht. Hier geht es schlechthin um Impunität,
d.h. Straflosigkeit. Doch wir müssen leider noch mit den Konsequenzen
ihrer Verbrechen leben.Polen und Tschechien sind jetzt in der Europäischen
Union. Meine persönliche Meinung ist nämlich, dass sie
dafür noch nicht reif gewesen waren. Eine Aufnahme wäre
erst nach einer ehrlichen Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte
gerechtfertigt gewesen, d.h. nachdem sie ungesühnte Verbrechen
der Vertreibung anerkannt hätten und, im Falle Tschechiens
die entsprechenden Vertreibungs- und Straffreiheitsgesetzte in den
Benesch-Dekreten durch ihr Parlamente für nichtig erklärt
hätten.
Ich möchte auch auf das Zentrum gegen Vertreibungen in Berlin
zu sprechen kommen. Es ist uns klar, weshalb das Zentrum von manchen
Polen und Tschechen nicht begrüsst wird, nämlich weil
viele Polen und Tschechen ein schlechtes Gewissen haben. Sie wollen
an Verbrechen ihrer Landleute und früherer Regierungen ihrer
Länder nicht erinnert werden. Und in der Tat haben sie mit
ihrer eigenen Vergangenheitsbewältigung noch kaum angefangen.
Dabei klingt der Verweis auf Jahrzehnte kommunistischer Despotie
und dogmatisierter Lüge als Entschuldigung immer schaler und
unehrlicher: wir schreiben nicht mehr 1990, sondern 2004 !Da ist
noch viel, viel an Reflektion, Demut und auch Reue angebracht. Genau
dafür bietet sich das Zentrum an – als Forum der aufrichtiger
Diskussion und Annäherung. Denn, wie wollen wir Vertreibungen
und ethnischen Säuberungen anderswo in der Welt vorbeugen,
wenn wir die alten Vertreibungen und ethnischen Säuberungen
leugnen oder nicht richtig einordnen, womöglich sogar schönreden,
verharmlosen und „legitimieren“, wie es wiederholt der
unsägliche Milos Zeman und andere nicht minder prominente seiner
Landsleute versucht haben ? Vor vier Wochen endete die 80. Sitzungsperiode
des Menschenrechtsausschusses in New York. Dieser Ausschuss hat
wiederholte Male die Diskriminierung gegenüber Sudetendeutschen
bei der Rückgabe von ihrem Eigentum verurteilt. Ich verweise
auf die Entscheidungen in den Fällen Des Fours Walderode und
Petzoldova-Schwarzenberg . Hoffen wir, dass diese Entscheidungen
bald in die Tat umgesetzt werden.Vor zwei Wochen ist die 60. Sitzungsperiode
der UNO-Menschenrechtskommission in Genf zu Ende gegangen. Wie immer,
gab es Höhepunkte und auch Tiefen. Jedenfalls wird dort auch
über das Problem der Straflosigkeit von Kriegsverbrechern beraten,
und auf positiver Seite wird dort für das Recht auf Restitution
für die Opfer schwerer Menschenrechtsverletzungen wie Vertreibungen
gearbeitet.Dort ist man auch bemüht um das Minderheitenrecht,
das Rückkehrrecht und um die Freiheit der Meinungsäusserung.
Allerdings setzt die Ausübung des Rechtes auf freie Meinungsaüsserung
die Freiheit zum Denken voraus, und dies wiederum erfordert Informationsfreiheit,
ohne Tabus, ohne Einschüchterung und ohne Manipulation.Das
bewusste und interessengeleitete Ausblenden wichtiger Informationen
stellt meines Erachtens eine Verletzung des Artikels 19 des Paktes
über bürgerliche und politische Rechte dar. Die Verfälschung
von Informationen stellt eine noch gröbere Verletzung dieses
Menschenrechts dar. Wir benötigen zunächst die Freiheit
der Forschung und ein wirklich freies Denken. Ohne diese Freiheiten
und ohne eine offene Diskussion der historischen Tatsachen und ihrer
richtigen Bewertung wird man nie zu einer gemeinsamen Sichtweise
der Vergangenheit kommen.Hier sticht ein Unterschied ins Auge: Während
es bei der Beschreibung und Bewertung der Katastrophe des Ersten
Weltkrieges längst keine nationalen „Lager“ mehr
gibt, aus denen heraus deutsche, französische und britische
Historiker einander mit gegensätzlichen Sichtweisen konfrontieren
würden, ist genau dies bei der Vertreibung noch sehr stark
der Fall. Hier gibt es noch dezidiert polnische und tschechische
„Sichtweisen“ – gerade so, als ob der gewaltsame
Tod von 2 Millionen Zivilisten und die Enteignung von 14 Millionen
Menschen je nach nationalem Standpunkt irgendwie besser oder schlechter
sein könnte. Wir sind hier mit dem Phänomen konfrontiert,
dass die Geschichtsschreibung dieser Länder politisiert, ja
geradezu „vermachtet“ ist – ähnlich wie beispielsweise
ein grosser Teil der türkischen Historiographie über den
Genozid an der Armeniern im Jahren 1915-16.Für mich als amerikanischen
Historiker ist es traurig zu sehen, dass sogar die deutsche Historiographie
über die Vertreibung der Deutschen in diesem Sinne „vermachtet“
ist – nur absurderweise mit umgekehrten Vorzeichen. Und so
werden absolut elementare Fakten beispielsweise über die Vorgeschichte
der Vertreibung nicht nur von der polnischen und tschechischen,
sondern auch von der deutschen Forschung ausgeblendet – und
damit von der Forschung überhaupt. Für eine Vermittlung
dieser Tatsachen in den Medien und eine Darstellung in den Schulbüchern
ist dann natürlich erst recht kein Raum mehr. Somit gibt es
auch keine Chance mehr, daraus zu lernen oder Schlüsse für
eine heute noch mögliche Wiedergutmachung zu ziehen.Was kann
dagegen getan werden? Der Ruf nach Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit
greift hier zu kurz. Denn diese ist formell vorhanden, in Westdeutschland
spätestens seit 1949, in Ostmitteleuropa seit 1989. Das Problem
ist nicht fehlende Freiheit, sondern die fehlende Bereitschaft –
zumal auf deutscher Seite --, von dieser Freiheit Gebrauch zu machen.
Zu beklagen ist nicht ein Mangel an Freiheit, sondern einen Mangel
an Würde und Selbstachtung, als eine Geisteshaltung, die man
weder erzwingen noch verbieten kann. Doch ohne sie gibt es keine
volle Wahrheit und damit letztlich auch keine echte Versöhnung.
SCHLUSS Zum Schluss gestatten Sie mir aus der reichen ostdeutschen
Kultur zu schöpfen. Ich erinnere zunächst freilich an
Goethe in Böhmen, an seine Liebe zum Mädchen Ulrike Freiin
von Leventzow, jenes Symbol der ewigen Jugend, die in der Marienbader
Elegie die Sehnsucht wohl verewigt.Ich höre auch die sehnsüchtige
Musik des Böhmen Gustav Mahler, der mehrere Gedichte von Friedrich
Rückert vertonte, so das Gedicht „Um Mitternacht“Um
Mitternacht Hab ich die Macht In Deine Hand gegeben; Herr über
Tod und Leben, Du hältst die Wacht Um Mitternacht !“Schliesslich
möchte ich an die unterblichen Lieder des Sprosses von Sudetendeutschen
Eltern, Franz Schubert erinnern. An diesen Wiener Sängerknaben,
dieses Phänomen das so viele Generationen in aller Welt beglückt
hat – Deutsche und nicht-Deutsche gleichermassen.Denn ich
bin von Franz Schubert bezaubert und beglückt, und darum unsagbar
dankbar.Meine Damen und Herren, gibt es etwas schöneres, als
die Vertonung des Schillerschens Gedichtes „Hoffnung,“
(1797):?Es reden und träumen die Menschen viel von bessern
künftigen Tagen, nach einem glücklichen, goldenen Ziel
sieht man sie rennen und jagen; Die Welt wird alt und wird wieder
jung, Doch der Mensch hofft immer Verbesserung.Es ist kein leerer
schmeichelnder Wahn, Erzeugt im Gehirne des Toren, Im Herzen kündet
es laut sich an: zu was Besserm sind wir geboren.Und was die innere
Stimme spricht, das täuscht die hoffende Seele nicht.“Somit
meine Damen und Herren. Bewahren Sie sich Ihren gesunden Optimismus.
Bewahren Sie sich Ihre Werte.Bleiben Sie, was Sie sind.Ich danke
Ihnen.
© Professor Alfred de Zayas, Genf |