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BAYERNKURIER, 27 Mai 2006
NEUER MENSCHENRECHTSRAT
In drei Wochen wird in Genf der neue Menschenrechtsrat
der Vereinten Nationen erstmals zusammentreten. Der Rat ersetzt die Menschenrechtskommission
(MRK), die von 1946 bis 2006 bestand und – unter anderem –
im Jahre 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verabschiedet
hat. Im Unterschied zur Kommission untersteht der neue Rat direkt der
UN-Generalversammlung. Er ist mit 47 Mitgliedern etwas kleiner als das
Vorgängerorgan, seine Mitglieder können im Falle schwerer Menschenrechtsverletzungen
der entsendenden Länder mit Zwei-Drittel-Mehrheit der Generalversammlung
ausgeschlossen werden.
Die MRK war hoch politisch. Dort saßen keine unabhängigen Experten
wie etwa im UNO-Menschenrechtsausschuss, sondern Botschafter, Diplomaten
und Politiker. Ab und zu wurden Vertreter von Staaten, die grobe Menschenrechtsverletzungen
begingen, sogar zu Vorsitzenden der Kommission gewählt.
Aber dies war nicht notwendigerweise schlecht. Denn die Integration solcher
Länder in die Weltorganisation kann auch Verbesserungen ermöglichen.
Die UNO wurde schließlich als ein Diskussionsforum geschaffen und
nicht, um Staaten zu isolieren. Die MRK hat viel Gutes getan, hat aber
auch mit zweierlei Maß gemessen. Es gab viele Opfer, die man bewusst
vergaß.
Beim neuen Menschenrechtsrat dürfte es nicht viel anders sein. Wenn
am 19. Juni die neuen 47 Mitgliedstaaten, darunter die Bundesrepublik
ihre Arbeit anfangen, stehen sie vor derselben Realität. Und so wird
auch ihre Glaubwürdigkeit bald auf die Probe gestellt werden. So
hatte es die MRK zwei Jahre hintereinander nicht gewagt, eine Resolution
über Guantanamo anzunehmen. Aber welche Glaubwürdigkeit hat
ein Menschenrechtsgremium, das offensichtliche Verletzungen ignoriert?
Diesmal sind die USA auf eigenen Wusch nur als Beobachter dabei, sie werden
aber weiter hinter den Kulissen Druck ausüben.
Im neuen Rat sind alle Weltregionen vertreten. Bei der Wahl am 9. Mai
in der Generalversammlung erhielt Sambia die meisten Stimmen (182 von
191). Für Asien bekam Indien 173 und China 146 Stimmen. Für
Osteuropa kamen Russland mit 137 Stimmen, Polen mit 108 und Tschechien
mit 105 durch. Die Bundesrepublik wurde mit 158 Stimmen gewählt,
das war das beste Ergebnis der Weltregion Europa/Nordamerika/Australien.
Der Rat hat begrenzte Rechte, er steht ebenfalls unter politischem Einfluss
und muss sein Profil erst finden. Insgesamt kann die neue Institution
aber als Aufwertung für die Menschenrechtspolitik der Vereinten Nationen
angesehen werden. Dann könnte der neue Rat doch mehr werden als ein
neues Etikett auf einer alten, halbleeren Flasche.
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